Über die „Flughöhe“ menschlichen Geistes und Könnens!
Sowohl die griechische Sagengestalt Ikarus, als auch Wieland der Schmied, aus der germanischen Sagenwelt, folgend kamen mit den mit aus Wachs und Federn gearbeiteten Flügeln der Sonne zu nahe. Dem unbedachten Höhenflug folgte ein jäher tödlicher Absturz. Sie überschritten die maximale technische Flughöhe! Mit diesem Problem kämpft die Menschheit seit ihrer Entstehung. Der Turmbau zu Babel ist ein Beispiel, Goethes Zauberlehrling ist ein weiteres. Aber wo ist der „alte Meister“, der den Besen der Atomgewalten wieder zur Ordnung ruft? Es gibt ihn nicht. Wir müssen an den Ausgangspunkt zurück- ob wir wollen oder nicht. So wie sich zurzeit der technische Standard darstellt, beherrschen wir den Super-GAU nicht. Auch nicht die Atomwaffen. Wo liegt das Problem? Zuerst bei den Menschen, die immer mehr und billigere Energie wollen! Dann bei den Politikern und Wirtschaftsbossen, die wie immer um an der Macht zu bleiben, alle Wünsche erfüllen wollen! Dann bei der Technikgläubigkeit. Und zuletzt bei den Wissenschaftlern und den „Handwerkern“ der Hochtechnologie! Sie besitzen die Schlüsselposition. Ohne Einstein keine Atomkraft! Es ist weniger ein intellektuelles Problem, sondern mehr das der ethisch- und charakterlichen Stabilität. Fehlende ethische- und charakterliche Stabilität war die Ursache für die schreckliche Katastrophe in Tschernobyl. Es wird auch die tiefere Ursache in Japan sein. Natürlich war der Auslöser das Erdbeben und der folgende Tsunami, aber man muss den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung erkennen wollen. Wir sprechen heute in Japan nur über die Wirkung. Wo liegt die tiefere Ursache! Ist es das japanische Trauma von Hiroshima und Nagasaki? Dem darauf als Ersatzhandlung eine tiefe Technikgläubigkeit folgte? So wie in Deutschland und Österreich der Glaube an Wohlstand und Konsum- nach der Katastrophe von 1945? Ursachen für irrationales Verhalten haben meist eine sehr lange Geschichte. Oft wird deren Ursprung verdrängt! Aber nun zurück zu den Hochtechnikern und den Wissenschaftlern. Intensive und hochtechnische Entwicklungsarbeit ist gekennzeichnet durch ein hohes Maß an Zeitdruck und der Abhängigkeit von Wirtschaft und Politik. Wer dabei immer neue und schwierigere Projekte stemmt und so von Triumph zu Triumph eilt, – wird eine ernstzunehmende Gefahr für die Menschheit. Wie bei Ikarus und Wieland dem Schmied, der mit aus Wachs und Federn gearbeiteten Flügeln der Sonne zu nahe kam, geht auch Wissenschaftlern, Hochtechnologen, Wirtschaftskapitänen, Finanzmanagern und Politikern mitunter der Blick dafür verloren, wann wir die maximale „Flughöhe“ erreicht haben. Worauf kommt es an? Die genannte Personengruppe, die zweifelsfrei stets unter großem Druck steht, neigt dazu, reflexhaft auf eingeschliffene Entwicklungsmuster des vorigen Jahrhunderts zurückzugreifen. Das ist pures Gift. Als Ausweg gibt es nur das ethische Innehalten, Auszeit- Nehmen vom Zeitgeist und des ständigen Reflektierens zukunftsfähiger Entwicklungen. Es muss ein ständiger personeller Austausch zwischen Linie und Elfenbeinturm erfolgen. Wissenschaftler, Techniker, Manager, Banker, Politiker, Offiziere usw. die immer wieder zur Linie zurückkehren, lernen nicht nur neue Bedürfnisse und Anforderungen kennen, sondern auch die Auswirkungen ihrer früheren Arbeit auf Menschen, dem sozialen Umfeld und auf die Sicherheit. Die persönliche Strategie des Innehaltens, Auszeit-Nehmens und Reflektierens hätte wohl auch Ikarus und Wieland dem Schmied, die gefallenen Flieger, retten können. Die Helden hätten dann wohl erkannt, dass es für Höhenflüge andere Flügel braucht. Oder dass die Sonne schlichtweg nicht zu erreichen ist. Wie auch immer, Ikarus und Wieland wären mit ein wenig Selbstbesinnung vielleicht als erste Himmelsstürmer in die Sagenwelt eingegangen – und nicht als ihre ersten Bruchpiloten. Vor dem gleichen Dilemma steht nun die gesamte Menschheit nach Fukushima. Auch wir sind alle Bruchpiloten unseres Zukunftsglaubens ohne Grenzen geworden! Übrigens - was tun wir, wenn das slowenische Atomkraftwerk Krsko, nur 80 km von uns entfernt, in die Luft fliegt???? Sind wir auch so gut vorbereitet wie die Japaner? Zeigen wir jetzt auch jene Zivilcourage, die wir sonst immer zeitgeistig heraushängen lassen? Denn diesmal geht’s nicht um Ideologie, sondern um unser Überleben! März 2011 |