Warum ging das Vertrauen verloren?

 

In Politik, Wirtschaft, Militär und Bildung regiert zurzeit das gut geölte Mittelmaß. Seine Vertreter sind rasch erkennbar. Glatt, sehr funktionell, fälschlicher Weise oft als loyal bezeichnet, störungsfrei im Betrieb und untereinander absolut austauschbar, deswegen kann auch keiner zurücktreten, denn der Nachfolger ist von gleichem Zuschnitt.

Die „Machthaber“ von heute entstammen mehrheitlich einer Generation, die nie für etwas kämpfen musste, die, wie meine Frau immer sagt, im „Honigtopf der Nachkriegsgesellschaft“ aufgewachsen sind. Der einzige Kampf den sie führen, ist gegen den ebengleichen Konkurrenten. Der mit dem zeitgeistigeren Parteibuch wird nolens volens dann der Sieger - bis zur nächsten Wahl.

Sie lernten ihre Karriere ordentlich planen, damit begannen Papa und Mama schon im Kindergarten. Sie rauften nie, waren nie schmutzig und haben nie in einem Hinterhof Fußball gespielt, schon gar nicht in der Pause ein Mädchen geküsst. Alles wurde genau geplant, nichts durfte dem Zufall überlassen bleiben. Artigkeit stand vor Lausbüberei. Puritaner wurden im Sinne der Political Correctness am Fließband wie Gartenzwerge hergestellt. Wo sie frech sein durften bzw. mussten, bestimmte die Parteizentrale. Der zuständige politische Feind wurde klar beschrieben. Mitglieder der Feindpartei gelten als vogelfrei.

 

Die Jungspatzen der Politik sind leuchtendes Beispiel dafür. Überzeugungen, Ideale, offener Mut und persönliche Ethik, Handschlagqualität und Verantwortungsfreude haben für sie einen geringen Stellenwert. Das Wochenende auf einem Golfplatz, in einem Nobel -Skiort und auf der Parteiakademie ist wichtiger als eine Bergtour oder ein  riskantes Abenteuer. Ihre größten Abenteuer finden in gut klimatisierten Sitzungszimmern statt, oder in In-Lokalen.

Die Zahl jener, die sich mit viel Intelligenz, Fleiß, Anständigkeit und lauteren Charakter, ohne Ellbogenarbeit ihren Weg freimachen wollen, ist in der Minderzahl oder im Wettspiel um verantwortungsvolle Arbeitsplätze chancenlos. Ganz anders die Kerle, die sich die Lebensnähe und Bodenhaftung bewahrten. Die neben dem Studium brav und ehrlich arbeiteten, mit allen Bevölkerungsschichten Kontakt halten, Zivilcourage und  Widerspruchsgeist entwickeln. Und dadurch ihr persönliches Profil zu schärfen.

 

Gutes Beispiel  sind die geistigen Auseinandersetzungen zwischen Altgenerälen und jungen, unverbrauchten und nicht eingefärbten Offizieren in der Anfangsphase des Bundesheeres. Als Beispiel nenne ich den Inhaltsunterschied der Leserbriefe im Truppendienst 1963-64 zu den heutigen Leserbriefen. Gab es früher militärische inhaltliche Substanz, frei heraus gesagt, findet man heute keine wahrhaftig couragiert geschrieben Leserbriefe mehr.

Was fehlt uns heute? Menschen mit Unverwechselbarkeit. Menschen, die sich getrauen selbst zu sein. Menschen mit Gewissen und Lauterkeit, Persönlichkeiten, die das was sie sagen, auch selber vorleben.

Persönlichkeiten, die nicht unentwegt über ihre Pressesprecher ausrichten lassen müssen, dass sie falsch verstanden wurden. Menschgewordene Sprechautomaten, Wiederkäuer, Erbsenzähler - dafür „politisch sündenfrei“, stehen heute an den Schalthebeln. Sie machten keine Lernfehler. Dazu fehlte ihnen entweder der Mut oder die Fantasie. Sie haben sich in allen Hierarchien eingenistet, und verfügen über das Geld der Steuerzahler, wie mittelalterliche Fürsten oder barocke Könige. Sie kennen keine Gnade. Ihr amtlich zugewiesenes Territorium verteidigen sie verbissener, als lateinamerikanischen Despoten.

 

Aber, es wird wieder die Sonne aufgehen. Irgendwann werden wir wieder Leistungs- und Verantwortungsträger bekommen. Wirkliche, demokratisch gesinnte Vorbilder, denen man die Aufrichtigkeit und die Überzeugung (nicht die Gier nach Macht) ansieht.

Die wieder Windhundflair und nicht Duckmäusertum ausstrahlen.

Sie werden durch die Kraft ihrer Empathie, ihrer Fähigkeit zur Perspektivenübernahme, ihres Könnens und Wollens, unser Vertrauen wieder gewinnen.

Jänner 2011