Volk an’s Gewehr

 

Mein Sohn leistet gerade seinen Präsenzdienst. Grundausbildung zuerst einmal in einer steirischen Kaserne. Nach der Angelobung hat er mir erzählt, dass er nach Wien versetzt wird. Schön. Er fährt mit dem eigenen Auto nach Wien, hat ja auch genug Ausrüstung zu transportieren.

Natürlich frage ich gleich nach seinem Gewehr. Zu meiner Zeit haben wir das ganz einfach in’s Auto gelegt und sind damit in eine andere Kaserne gefahren. Manchmal sind wir auch mit dem StG 58 in der Straßenbahn oder im Zug gefahren. Warum auch nicht?

Patronen haben wir damals nicht mitbekommen, bedauerlich für mich und ein Sicherheitsrisiko, denn irgendjemand hätte uns ganz einfach das Gewehr wegnehmen können. Ohne daß uns eine Gegenwehr möglich gewesen wäre.

Heute ist das anders. Die Gewehre werden von Wien in die Steiermark gebracht, dort den Präsenzdienern ausgehändigt, ihnen dann wieder weggenommen und wieder nach Wien geschickt, wo sie die Rekruten in Empfang nehmen dürfen. Ein und dasselbe Gewehr reist von Wien in die Steiermark und wieder zurück.

Umständlicher geht es wohl nicht und kostspieliger auch nicht. Dass man den Soldaten am Einsatzort jeweils ein Gewehr gibt und damit das Hin- und Hergeschicke unterbleiben kann, ist anscheinend undenkbar. Und auf die Idee, den Soldaten einfach – wie früher üblich – das Gewehr mitzugeben, kommt niemand. Wahrscheinlich würde den Wehrdienstverweigerer im Ministerium bei so einem Ansinnen sofort der Schlag treffen.

 

Was ist ein Gelöbnis wert?

 

Mein Sohn hat gelobt. Er hat unter anderem gelobt, sein Vaterland mit dem Einsatz seines Lebens zu verteidigen. Und er steht zu seinem Gelöbnis. Ein Gewehr darf er aber nur unter Kommando und unter Bewachung tragen. Kein freier Bürger und Landesverteidiger also, sondern ein Gladiator, ein Waffensklave.

Das heißt aber nichts anderes, als daß man den Menschen, die gerade geschworen haben, ihr Leben für ihr Land einzusetzen, nicht einmal ein Gewehr anvertraut, ein Gewehr, mit dem sie ihr Vaterland verteidigen sollen.

Wer das zu verantworten hat, verdient kein Vertrauen. Solche Politiker sind das Vertrauen nicht wert, das sie von den Soldaten und von uns allen verlangen.
 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Georg Zakrajsek